Ziemlich beste Freunde

Die Grenzkontrollen bleiben bis mindestens 15. Mai bestehen, hat Innenminister Seehofer am Montagabend verkündet. Eine Zufallsbegegnung. Ein nachdenklich machendes Gespräch auf der gesperrten Lauterbrücke.

Von Markus Burck


Scheibenhard(t). Interessiert betrachten die beiden jungen Erwachsenen die zahlreichen Zeichnungen und Drucke, die laminiert an der Kette hängen. „Keine Grenze wird uns trennen“, steht auf einem Blatt, auf dem sich Asterix und Obelix herzlich in den Armen liegen. „Amitié – Freundschaft“, lautet die Botschaft auf einem anderen, auf dem zwei Menschen Ballons mit deutscher und französischer Flagge halten. Auf einen bekannten Film verweist ein Aushang mit „Ziemlich beste Freunde – über Grenzen hinweg“.

 

                  Absperrung mit Baken und Ketten                                              Beschwörung der Freundschaft trotz Absperrung            

Waren es zu Beginn der Corona-Krise noch Absperrschilder, die Scheibenhardt von Scheibenhard trennten, ist es mittlerweile eine Absperrkette, die quer zur Lauterbrücke angebracht wurde. In der Mitte steht zudem weiter ein Absperrgitter. Verhindert wird dadurch, dass Autofahrer die Schilder einfach beiseite räumen und von der Südpfalz ins Elsass fahren oder vom Elsass in die Südpfalz. Verhindert wird so aber auch das Spazierengehen in Scheibenhard(t). Nur mit Passierschein„Die Situation ist schon traurig“, findet die junge Frau. In Frankreich, so erzählt sie, sind die Ausgangsregelungen noch streng. Wer sich draußen bewegt, muss einen Passierschein dabeihaben. Gebilligte Gründe draußen zu sein sind der Weg zur Arbeit und zurück, Einkaufen und Sport – und das Gassi-Gehen mit dem Hund. Auch das Paar hat einen eindrucksvollen Vierbeiner dabei. „Sie macht nichts“, erklingt es zur Beruhigung, als der riesige Hund seinen grauen Kopf unter der rot-weißen Kette durchstreckt. Tatsächlich schaut das Tier gelassen und freundlich drein. Der Gesichtsausdruck seines Frauchens wirkt eher nachdenklich und traurig als sie erzählt, was alles beachtet werden muss. Einfach mal schnell eine Flasche Cola kaufen ist dieser Tage nicht gerne gesehen. Einkäufe sollten so getätigt werden, dass sie für ein paar Tage ausreichen. So soll verhindert werden, dass Leute zu oft in die Supermärkte strömen. Sport sei erlaubt, jedoch solle auf Reiten und Fahrradsport verzichtet werden, erzählt sie. Der Grund: Diese Tätigkeiten führen öfter zu Verletzungen. „So sollen die Krankenhäuser nicht noch weiter belastet werden“, gibt sie die plausible Erklärung. Vierbeiniger GrenzgängerDass jedoch auch das Spazierengehen an der Lauter so eingeschränkt ist, kann sie nicht verstehen. Traurig sei das. Ihr Begleiter nickt nachdenklich und schweigt. Der vierbeinige Begleiter verlässt in diesem Moment Frankreich und wandert schwanzwedelnd in Deutschland ein. Ein kurzes Schnüffeln am Ende der Brücke, dann links ans Lauterufer. Der Hund kennt den Weg. Normalerweise würde er mit seinen Menschen hier entlanggehen. Doch die bleiben hinter der Kette zurück. Sie dürfen nicht von der Rue des Tirailleurs Tunisiens in die Hauptstraße laufen, obwohl es doch eigentlich die gleiche Straße ist, in einer Gemeinde, die ursprünglich eins war und seit dem Wegfall der innereuropäischen Grenzen eigentlich fast wieder eins geworden ist. Ein kurzer Ruf und der Hund spaziert die wenigen Meter zurück, unter der Kette hindurch ins Elsass. Erstaunt nimmt die Frau zur Kenntnis, dass es – zumindest von Neulauterburg nach Lauterbourg – für deutsche Staatsbürger wohl kein großes Problem ist, über die Grenze zu schlendern, wobei auch dann bei einer Kontrolle ein Passierschein nötig wäre. Ein Virus ist schuld – und die Bemühungen, die Verbreitung einzugrenzen, die manchmal seltsame Blüten treiben, wie hier in Scheibenhard(t). Vieles sei derzeit seltsam und undurchsichtig, ist man sich einig, bevor es heißt „Au revoir! Auf Wiedersehen!“

Quelle: DIE RHEINPFALZ, Pfälzer Tageblatt - Ausgabe Rheinschiene, Mittwoch, den 06. Mai 2020