Mit Test zur Familie ins Badische

Seitdem das benachbarte Frankreich zum Hochrisikogebiet wurde, müssen Arbeitnehmer, die in Deutschland arbeiten, aber im Elsass wohnen, einen negativen Corona-Test vorweisen. Trotz allem klappt es hüben wie drüben – auch wenn manches ärgerlich ist.

Von Matthias Dreisigacker

gemeinsam gegen corona 1     gemeinsam gegen corona 2

SCHEIBENHARD. Zeitweise zieht sich die Warteschlange bis hoch zur Hauptstraße. Über eine Stunde kann es dauern, ehe die Menschen am Eingang der Salle Polyvalente für den ersehnten Corona-Schnelltest überhaupt erst erfasst werden. Doch sie sind geduldig. Nach der Premiere des wöchentlich grenzüberschreitenden Wechselspiels einer Teststation hüben wie drüben der Lauter ist heute die elsässische Schwestergemeinde die Gastgeberin. Wahrscheinlich fühlte sich die Dame vor wenigen Augenblicken noch von Glückshormonen überschüttet. Eine Coronateststation am Karsamstag ohne einen Volksauflauf vor dem Eingang? Vor der verschlossenen Tür des Scheibenhardter Bürgerhauses folgt dann die Ernüchterung. Heute wird auf der anderen Seite der Grenzgemeinde getestet, die Deutsche mit Hauptwohnsitz im Elsass ist nicht amüsiert. Für die Arbeit brauche sie zweimal in der Woche einen Test. „34,90 Euro hätte ich in Hagenbach für einen Test bezahlen sollen, nur weil ich in Frankreich gemeldet bin“, empört sie sich. Drüben hätte sie in der Nähe keine Gelegenheit, sodass sie auf das deutsche Angebot angewiesen sei.

Umso mehr habe sie sich über das kostenlose Angebot in Scheibenhardt gefreut und sich bei der Verbandsgemeinde Hagenbach extra noch einmal telefonisch danach erkundigt, ob die Station im Bürgerhaus heute geöffnet sei. „Immer diese Sucherei, man hat ja schon nichts anderes mehr zu tun, als ständig im Internet zu gucken“, sagt sie. Viele Elsässer im Landkreis seien verärgert und fühlten sich von der deutschen Seite schikaniert. „Dabei zeigt sich richtige Freundschaft erst dann, wenn es Probleme gibt“, fügt sie hinzu und steigt in ihr Auto, um die paar Hundert Meter zur Station im französischen Ortsteil zu fahren. Nase läuft nur wegen der Kälte Dort ist das Wetter auch nicht schöner und der Wind nicht weniger schneidig. In der geräumigen Testhalle steht Martin Silva und nimmt einen Test nach dem anderen vor. Immer freundlich und gut gelaunt plaudert er mit den Menschen, die sich gleich entspannen. „Wie gesagt, es geht nicht tief rein“, sagt er gerade einer älteren Dame. Die entschuldigt sich gleich, dass ihre Nase nur wegen der Kälte laufe. Als der in Scheibenhard wohnende Silva von der Testinitiative von Land und Verbandsgemeinde hörte, kam ihm gleich eine Idee. Seine Lautergemeinde sei doch etwas derart besonderes, dass man sich zusammentun könne. Er suchte das Gespräch mit den Bürgermeistern und rannte offene Türen ein. Silva ist im Zivilberuf Außendienstmitarbeiter und Judotrainer, wegen Letzterem auch ausgebildeter Ersthelfer. „So jemand hat keine Hemmungen vor den Leuten“, lacht er. Nach einer mehrstündigen Schulung beim DRK war er also dann mit dabei. Letzte Woche im Bürgerhaus waren es 130 Tests gewesen, heute werden es am Ende der drei Stunden von 9 bis 12 Uhr 170 sein. Und wiederum wird kein positiver dabei gewesen sein. „Zum Glück“, sagt Silva. Es hätten auch mehr werden können, doch einige kehren beim Anblick der Menschenkette vorzeitig ab. Die Wartezeiten tun Silva sehr leid, aber der Erfolg des Angebots sei unerwartet hoch. Zwischendurch versichert man sich dann sogar, ob die vorhandenen Test-Kits überhaupt reichen werden. Zweihundert hat man da, bei Bedarf kann rasch Nachschub herbeigeholt werden. Überwunden Geglaubtes tritt zum Vorschein Ein Helfer koordiniert den Einlass, zwei nehmen die Anmeldungen vor, wiederum zwei führen die Testungen durch und einer gibt die Ergebnisse aus. Drei oder vier Tester wären gut, sagt Silva. Elhady Sall und Ehefrau Jamila möchten am Ostersonntag unbedingt zu einem kleinen Familientreffen im Badischen. „Es war etwas kalt, aber wir waren auf das Warten eingestellt“, sagt der Elsässer heiter. Die beiderseitige Teststation sei eine tolle Sache. Vor allem vor dem Hintergrund der vergangenen Monate. Er glaubte, dass die Länder enger zusammengewachsen wären: „Aber Corona hat sehr viel zum Vorschein gebracht, das man überwunden glaubte.“ Inzwischen sehe man allerdings, dass man im Umgang mit den Nöten und Bedürfnissen der Grenzgänger gelernt habe. Muriel Larinon arbeitet im Forschungszentrum Karlsruhe und betreut dort Studenten. Sie kann sich zwar beim KIT testen lassen, hat heute aber ihre Familie aus Ehemann und zwei Kindern dabei. „Wenn wir uns alle testen, dann habe ich weniger Stress“, bestand sie auf die gemeinsamen Tests in Scheibenhard. Sicher ist sicher. „Du hast zwei negative Eltern, mein Kind“, ruft eine Mutter mit den Bescheinigungen in der Hand ihrem Töchterchen entgegen, das sich mit dem Vater das Warten auf dem Spielplatz hinter der Salle Polyvalente vertreibt. Wo anders als hier können so viele negative Nachrichten so positiv sein?

Den Originalartikel finden Sie hier:

Quelle: RHEINPFALZ, Ausgabe " Germersheimer Rundschau" vom 06.04.2021