Bus holt keine Schulkinder mehr ab

Vor drei Wochen wurde Claudia Layers Sohn eingeschult. Seitdem fährt der Sechsjährige jeden Morgen mit dem Bus von Bienwaldmühle in die Grundschule nach Berg. Nach den Herbstferien wird der Bus den Ortsteil von Scheibenhardt nicht mehr anfahren. Die nächste Haltestelle ist sechs Kilometer entfernt. Die alleinerziehende Mutter steht vor einem Riesenproblem.

Von Natascha Ruske

Scheibenhardt. Claudia Layer und ihr Sohn sind vor etwa zwei Jahren von Schaidt nach Bienwaldmühle gezogen. „Zu dieser Zeit fuhr der Bus“, erzählt die 34-Jährige. Das sei eine Voraussetzung für den Umzug gewesen. Sie ist voll berufstätig und muss um halb sechs morgens auf ihrer Arbeitsstelle sein. Wenn sie aus dem Haus geht, kümmert sich ihre 69-jährige Mutter um das Kind. Die Oma fährt aus Steinfeld her und wieder zurück, wenn der Junge zum Bus geht. Früher hatte sie ihn auf dem Rückweg nach Steinfeld in die Kita mitgenommen. Es lief gut. Kurzzeitig hatte Claudia Layer deshalb überlegt, ihren Sohn in der Steinfelder Grundschule anzumelden. Sie hat sich dagegen entschieden, weil bis dato der Schulbus nach Berg ja in Bienwaldmühle hielt. Außerdem sei das die zuständige Grundschule für Kinder aus dem abgelegenen Ort.

Dass der Schulbus der Linie 549 nach den Herbstferien nicht mehr in ihrem Wohnort halten soll, habe sie durch Zufall erfahren, erzählt Claudia Layer. Eigentlich wollte sie in dem Anruf bei der Kreisverwaltung nur wissen, ob der Bus auch während der Ferien fährt. Denn ihr Sohn besucht in Scheibenhardt den Hort und dort auch die Ferienbetreuung. Scheibenhardt ist die nächste, von Bienwaldmühle rund sechs Kilometer entfernte Haltestelle auf der Linie. „Da teilte man mir mit, da wäre ein Fehler unterlaufen.“ Der Bus von und nach Bienwaldmühle hätte demnach schon vergangenes Schuljahr nicht mehr fahren dürfen und werde gestrichen. Die Mitarbeiterin habe zu ihr gesagt, es wäre ihr privates Belangen, in ein Dorf zu ziehen, wo es keine entsprechende Infrastruktur gebe. Das ärgert Claudia Layer: Hierbei gehe es nicht etwa um Einkaufsmöglichkeiten, sondern immerhin um schulpflichtige Kinder. Sie verweist auf die Schülerbeförderungspflicht des Landkreises, der im rheinland-pfälzischen Schulgesetz verankert ist. Außer ihrem Sohn sei noch ein weiteres Grundschulkind aus Bienwaldmühle betroffen.

Fünf Kinder müssen es seinGestrichen werden sollen die Fahrten zwischen Bienwaldmühle und Scheibenhardt morgens um halb acht (549-211) und heimwärts mittags um Viertel nach 12 und Viertel nach eins (549-230 und -234), bestätigt die Kreisverwaltung auf RHEINPFALZ-Anfrage. Der Träger sei „bei vollkommen unwirtschaftlichem Einsatz eines Schulbusses nicht zur Einrichtung eines Schulbusverkehrs verpflichtet“. Das sei im Kommentar zu § 69 des Schulgesetzes (SchulG) geregelt. Der Einsatz eines Busses gelte als unwirtschaftlich, wenn weniger als fünf Schüler gemeinsam befördert werden müssen. Das sehe die Richtlinie zur Schülerbeförderung im Kreis Germersheim aus dem Jahr 2017 vor. Der Kreis sei „aber in diesen Fällen verpflichtet, die Kosten, die für ein vergleichbares öffentliches Verkehrsmittel entstünden, zu ersetzen“. Dies sei geschehen, da die Kinder alle eine Fahrkarte, die Scool Card, erhalten haben, die sie ab Scheibenhardt nutzen können. Von hier aus fährt der 549er-Bus weiterhin nach Berg. Natürlich könnten die Eltern diese Fahrkarte kündigen und sich den Wert von 510 Euro „für ein Schuljahr als Pkw-Kosten“ erstatten lassen. Mehr gehe nicht. Dieses Angebot habe der Kreis den betroffenen Familien unterbreitet.

Schon im vergangenen Jahr sei der Bus ab Bienwaldmühle eine Weile lang nicht gefahren, sagt Claudia Layer. „Die Haltestelle wurde am 1. August 2019 eingestellt und ab April 2020 wieder angefahren“, so die Verwaltung. Nur ein Kind habe den Bus im Vorjahr genutzt. Eigentlich fahre die reguläre Linie und damit der Schulbus die Haltestelle an der Bienwaldmühle gar nicht an, betont die Behörde. Diese Schleife sei in der Vergangenheit eingebaut worden.

Kreis beruft sich auf Kulanz„Die Kreisverwaltung stand stets mit den betroffenen Eltern in Kontakt und hat in der Vergangenheit die Angebote sehr kulant aufrechterhalten“, so die Behörde. „Schon vor langer Zeit“ seien die Eltern und die Schulrektorin informiert worden, dass der Bus nicht mehr an der Bienwaldmühle halten dürfe, wenn weniger als fünf Kinder diesen nutzen. „Dass das Angebot jetzt dennoch so lange aufrechterhalten werden konnte, war unter anderem ein Entgegenkommen an die Eltern, damit diese mit entsprechend Vorlauf die Anfahrt beziehungsweise den Shuttle nach Scheibenhardt eigenständig organisieren können.“

Dass der Bus eingestellt werden soll, sei im April 2021 beschlossen worden. Das Thema sei nun „mit einiger Verspätung“ aufgegriffen worden, weil es personelle Veränderungen im zuständigen Fachbereich gegeben habe. „Daher wurde den Eltern erneut ein kulanter Rahmen für die Selbstorganisation eingeräumt, weshalb die entsprechende Anpassung erst nach den Herbstferien umgesetzt wird“, so die Sicht der Verwaltung. Schriftlich sollen die Eltern im Lauf dieser Woche informiert werden.

Für Claudia Layer kam die Nachricht in dem Telefonat jedenfalls überraschend. Sie hat sich an die Schulbehörde ADD, an das Jugendamt und den Ortsbürgermeister von Scheibenhardt gewandt, in der Hoffnung, dass diese ihr helfen können. „Ich weiß nicht mehr, was ich nun unternehmen kann.“ Sie sei auf den Bus angewiesen und könne ihrer Mutter nicht auf Dauer zumuten, den Enkel auch noch täglich zur Schule oder Haltestelle im nächsten Ort zu fahren. Sie will sich mit anderen Betroffenen im Ortsteil austauschen, vielleicht auch mit Eltern, deren Kinder die Kita in Scheibenhardt besuchen.

Quelle: RHEINPFALZ, Ausgabe " Germersheimer Rundschau" vom 22.09.2021