Schweißtreibende Grenzerfahrung

Kriminalität kennt keine Grenzen – deshalb arbeiten Polizei und Gendarmerie in Südpfalz und Elsass seit Jahren eng zusammen, gehen regelmäßig gemeinsam auf Streife und tauschen Ermittlungsansätze aus. Wie wichtig der persönliche Kontakt ist, zeigt ein Besuch im deutsch-französischen Doppeldorf Scheibenhard(t).

Von Jörg Schmihing
 

hiwwe wie driwwe 1Scheibenhardt. Einige Meter dies- und jenseits dieser Brücke ist die deutsch-französische Welt an diesem Samstagnachmittag in allerbester Ordnung: Am französischen Ufer der Lauter stößt man mit Crémant an, Spießbraten brutzelt auf dem Grill. Auf der deutschen Seite des Flüsschens gibt’s Bier, Schorle und Dampfnudeln. Am Himmelfahrtswochenende ist Brückenfest in Scheibenhard und Scheibenhardt, das 27. inzwischen. Wohl nirgendwo sonst in der Region ist Dorfleben „hiwwe wie driwwe“ so verwoben und verwachsen wie hier an der Schnittstelle von Kreis Germersheim und Département Bas-Rhin.

Bei der Eröffnung der gemeinsamen Traditionsveranstaltung lässt sich viel darüber lernen, was in Europa wirklich gut funktioniert. Gérard Helffrich, Bürgermeister des elsässischen Ortsteils, erinnert an den vor Kurzem gefeierten 80. Jahrestag der Befreiung des Grenzdörfchens am Ende des Zweiten Weltkriegs und rühmt die seitdem gewachsene deutsch-französische Freundschaft. Thomas Ehl, Ortsbürgermeister der südpfälzischen Gemeinde, tut das auch – vielleicht mit einer Spur Pathos weniger als sein Amtskollege.

 

Kontrollen irritierenAuf der Brücke wird darüber hinaus deutlich: Wenn große Politik in die kleine Welt sickert, kann das irritieren. Als die Bundesregierung zuletzt strengere Grenzkontrollen anordnet und diese dann an pfälzisch-elsässischen Übergängen stattfinden, ist das Verständnis auf französischer Seite nicht sehr groß. Evelyne Isinger, Mitglied des Rats der Region Grand-Est, formuliert höflich, aber bestimmt, den Wunsch, dass die Kontrollen den kleinen Grenzverkehr, etwa den Weg von und zur Arbeit, nicht behindern mögen. Thomas Gebhart, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Jockgrim, betont lieber das Gemeinsame der „Amitié Franco-Allemande“.

Arne Lunkwitz jedenfalls hat in diesen Tagen ziemlich schnell die Nachfrage eines Kollegen von der Gendarmerie erreicht, was denn da los sei im Bienwald. Der 36 Jahre alte Hauptkommissar ist, salopp formuliert, so etwas wie der Außenminister der Polizeidirektion Landau. Seit drei Jahren ist er von der Inspektion Bad Bergzabern aus verantwortlich für die schon einige Zeit laufende Kooperation zwischen deutschen und französischen Ordnungskräften. Am Samstag wirkt die sehr entspannt: Gemeinsam mit einer deutschen Kollegin und vier französischen Beamten läuft Lunkwitz nach dem offiziellen Start Streife über die Festmeile.

Außenwirkung wichtig Im beschaulichen Scheibenhard(t) ist der Sicherheitsaspekt nicht das Wichtigste, es geht vielmehr um Wirkung in der Öffentlichkeit und das gegenseitige Kennenlernen. Solche Aktionen versuche er bei verschiedenen Anlässen zu organisieren: beim Weihnachtsmarkt in Wissembourg oder auch beim Mitarbeiterfest von Daimler Truck in Wörth. Das Ziel sind zwei Termine pro Monat, jeweils einer in Deutschland und einer in Frankreich. Tatsächlich geht das Interesse beider Seiten aber über diese eher repräsentativen Auftritte deutlich hinaus. Denn: „Kriminalität kennt keine Grenzen“, sagt Lunkwitz. Offizielle Grundlage ist die im März erneuerte gegenseitige Absichtserklärung zur Zusammenarbeit.

Und die kann – auch wenn es in den Dienstgebieten in Pfalz und Elsass eher ländlich und somit etwas ruhiger zugeht – schnell sehr konkret in abgestimmter Kriminalitätsbekämpfung münden: wenn sich beispielsweise im Grenzgebiet ähnliche Tatmuster bei Einbruchserien zeigen. Arne Lunkwitz erzählt von einem Fall vor ein, zwei Jahren: Da hatten zunächst unbekannte Täter einen Pizzaautomaten aufgebrochen. Die deutschen Ermittler hörten auf der Tonspur der Überwachungskamera, dass die bösen Buben Französisch sprachen – und wandten sich an die Kollegen jenseits der Grenze.

Unterschiedlich organisiert„Für solche Sachen ist dieser Draht sehr wichtig“, sagt der Absolvent des Abi-Bac-Zweigs am Landauer Max-Slevogt-Gymnasium. Dass er Französisch als erste Fremdsprache hatte und sowohl das deutsche Abitur als auch das französische Baccalauréat besitzt, hilft Lunkwitz in seiner jetzigen Funktion genauso wie das Freiwillige Soziale Jahr, das er in Südfrankreich in einer Einrichtung für schwer erziehbare Jugendliche verbracht hat. Später kamen noch während des Studiums polizeispezifische Begriffe dazu; Verständnisprobleme kennt er insofern keine.

hiwwe wie driwwe 2Der kleine Dienstweg beginnt also bei der Sprache, ist aber aus anderen Gründen manchmal gar nicht so leicht. Polizei und Gendarmerie unterscheidet einiges: Während Lunkwitz und seine Kollegen im Wechselschichtdienst arbeiten und nach ihrer Arbeit wieder nach Hause gehen, sind die Franzosen militärisch organisiert und wohnen in Kasernen. Während in Deutschland Polizeiarbeit Ländersache ist, pflegt Frankreich seinen Zentralismus. Was nach Lunkwitz’ Schilderung bei offiziellen Anfragen dazu führen kann, dass diese über alle Hierarchieebenen hinweg durchaus mal etwas länger brauchen.

Im Alltag geht es mehr um praktische Fragen, verdeutlicht Arne Lunkwitz: Beamte müssten wissen, was sie auf der jeweils anderen Seite dürfen, vielmehr: nicht dürfen. Ein deutscher Polizist könne auf französischem Boden im Einsatzfall eben nur in einem eng gesteckten rechtlichen Rahmen eingreifen. Zentral sei eine möglichst schnelle gegenseitige Information, wenn etwa eine Verfolgungsfahrt Richtung Frankreich gehe. So dramatisch wird es in Scheibenhard(t) freilich nicht. Der größte Gegner der mit Schutzwesten ausstaffierten deutsch-französischen Gruppe ist die Hitze. Das gemeinsame Ziel der Ordnungshüter nach der Streife: ein kühles Getränk im Schatten.

Quelle: RHEINPFALZ, Ausgabe " Germersheimer Rundschau" vom 03.06.2025