Knecht Ruprecht kann einpacken

Scheibenhardt: Der hiesige Begleiter des Nikolaus ist gegen sie schon fast ein Kumpeltyp. Die Krampusse aus Österreich sind fiese Gestalten. Ihre Peitschen schwingend und mit glühenden Augen heizen sie am Samstag bei der „Krampus Feuershow“ dem Publikum ein. Wer noch friert, bekommt Glühwein satt.

knecht_rupprecht_kann_einpacken_1_klSo kann das mit dem Disziplinieren der Jugend ja eigentlich nichts werden. Der wilde Mann auf der Karre schwingt drohend seine Geißel, als sie sich plötzlich in seinem Haarschopf verfängt.knecht_rupprecht_kann_einpacken_2_kl Nichts geht mehr, das Volk lacht, auch die Kinder. Nur kurz darauf fällt die Peitsche dem unglücklichen Wüterich auch noch aus der Hand, sodass sie ihm wieder gereicht werden muss. Der dramatische Autoritätsverlust wird von den rund 500 Zuschauern auf dem Festplatz sehr heiter genommen, was zur allgemeinen Begeisterung über die „Krampus Feuershow“ nur noch mehr beiträgt.
Die vierte Auflage des aus Österreich importierten Spektakels kündigt sich ja auch schon weithin an; die produzierte Lautstärke von sphärischem Mittelalterrock, Mönchs-Pop und Ramstein ist enorm. Die Menschen strömen zum Ort des schrecklichen Geschehens, selbst aus Landau ist eine Gruppe neugieriger junger Leute angereist. Zwar haben sie sich in diesem für sie wohl fremden und untoten Winkel der Südpfalz gleich verfahren, doch der Aufwand hat sich gelohnt. Jan schwärmt, dass alleine schon die Kostüme grandios seien: „Ich hätte mir auch so eines gewünscht – weil ich glaube, dass es darunter schön warm ist!“
Andere lösen die novembertypische Wetterunbill kurzerhand mit einem Glühweinschoppen aus dem Pfluddeglas. Der vom ausrichtenden Faschingsverein ausgeschenkte, knappe halbe Liter heißer Glückseligkeit bewirkt sichtlich seine Wunder.
Aber auch unabhängig hiervon und mit klarem Verstand tut sich in der Arena viel Wundersames. Die Krampusse jagen mit rot und weißglühenden Augen an die Absperrung, rütteln bedrohlich am Gitter und greifen nach den Haaren ihrer Opfer. Widderhörner sind beliebt, viel Fell und die grotesk geschnitzten Holzmasken sind anziehend wie abstoßend zugleich. Manche haben Metallbüchsen umhängen, die laut scheppern. In einer Holzkarre sind die Kinder zu sehen, die im vergangenen Jahr eingesperrt worden seien und erst heute wieder freigelassen würden. „Aber wir werden schon wieder neue finden, also aufpassen“, wird über Lautsprecher gewarnt.
Klar, das ist schon ein anderes Bedrohungsszenario als der hiesige Knecht Ruprecht mit seinem lausigen Reisigbündel. Und so soll es auch sein, wenn man sich wie Günter Wagner eine solch wochenlange Arbeit macht. Er hat am spektakulären Mad-Max-Auto mit Hochsitz herumgeschraubt, auch fertigt er Holzmasken selbst an. Ihm geht es um die Erinnerung an einen Brauch, der auch in Deutschland nicht unbekannt war. Und dass die Leute einen Abend mal nicht vor dem Fernseher verbringen und dafür rausgehen, um etwas zu erleben. Auch den jungen Leuten gefalle es und einige hätten schon eine darum gebeten, nächstes Jahr selbst mitmachen zu dürfen.
Nach einer Dreiviertelstunde und letzten Funkengüssen aus aufheulenden Motorsägen ist Schluss. Moderator Christian Müller holt alle „finsteren Gestalten“ nochmals in die Arena. Es folgen viele Danksagungen, Veranstaltungstipps und der Hinweis auf die folgende Après-Party. Aus seinem Mund klingt es zwar wie „Abriss-Party“, doch irgendwie sind die beiden Begriffen ja doch verwandter, als man glaubt. Dennoch zieht der größte Teil der Menge recht zügig ab, schließlich müssen die Kinder irgendwann auch mal ins Bettchen. Reichlich Alpträume dürften die gesehenen Anachronismen den Kleinen jedoch nicht bescheren. Der achtjährige Tim ist von dem „coolen“ Abend jedenfalls einfach nur schwer beeindruckt: „Auf alle Fälle gut fand ich den Traktor, an dem der Mann hing. Und die Feuerschwenker!“ Davon, künftig braver sein zu wollen, hat Tim aber nicht gesprochen. (madr)

Quelle: DIE RHEINPFALZ, Pfälzer Tageblatt - Ausgabe Rheinschiene, Montag, den 01. Dezember 2014